Arbeitssicherheit

Gefährdungsbeurteilung: Arbeitsplatz, Durchführung, Pflicht.

Erfahre alles, was du wissen musst: Definition, Durchführung, Pflicht sowie Gefährdungsbeurteilung Baustelle, Büro, Gefahrstoffe und Brandschutz

Thomas Neubauer
August 5, 2024
Lesezeit:
7 Minuten

Die Zahl der Arbeitsunfälle ist in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Grund dafür ist unter anderem die Einführung der Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung im Jahr 1996 und damit ein verstärkter Fokus auf die Sicherheit am Arbeitsplatz. Dennoch gab es im Jahr 2022 fast 1 000 000 Weg- und Arbeitsunfälle, von denen sogar 671 tödlich endeten (Quelle). Um diese Unfälle bestmöglich zu vermeiden ist eine genaue Beurteilung der Gefährdungen und die Ableitung von Schutzmaßnahmen unerlässlich. Im Folgenden erfährst du alles, was du wissen musst, um deine Mitarbeiter bestmöglich vor Unfällen und Gefährdungen zu schützen und gleichzeitig deiner Pflicht nachzukommen.

Um die Lesbarkeit zu erleichtern, verwenden wir in diesem Artikel ausschließlich die männliche Form. Selbstverständlich sprechen wir damit alle Menschen unabhängig von Geschlecht und Identität an.

Zusammenfassung

Die Gefährdungsbeurteilung beinhaltet die Bewertung von Risiken am Arbeitsplatz, wobei verschiedene Gefährdungen wie physikalische, chemische, biologische, ergonomische und psychische Faktoren berücksichtigt werden. Der Prozess umfasst sieben Schritte, darunter die Identifikation von Gefährdungen, die Beurteilung, Festlegung von Schutzmaßnahmen und regelmäßige Überprüfungen. Die Durchführung ist ab nur einem Mitarbeiter verpflichtend und muss vor Aufnahme neuer Tätigkeiten sowie bei Veränderungen im Arbeitsumfeld erfolgen.

Definition: Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?

Eine Gefährdungsbeurteilung beschreibt, wie der Name schon sagt, die Beurteilung von Gefährdungen am Arbeitsplatz. Dabei werden in einem strukturierten Prozess mögliche Risiken identifiziert und bewertet, um Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Die Gefährdungsbeurteilung bildet die Basis, um die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter zu gewährleisten und ist deshalb von enormer Wichtigkeit.

Gefährdungsbeurteilung = Beurteilung aller Gefahren an einem Arbeitsplatz

Welche Gefährdungen gibt es am Arbeitsplatz?

Mögliche Gefährdungen am Arbeitsplatz können unter anderem sein:

  • die Gestaltung und die Einrichtung von Arbeitsstätte und Arbeitsplatz
  • physikalische, chemische und biologische Einwirkungen, denen Mitarbeiter ausgesetzt sind
  • die Gestaltung, die Auswahl und der Einsatz von Arbeitsmitteln (Arbeitsstoffe, Maschine, Geräte, Anlagen etc.) sowie der Umgang damit
  • die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken
  • unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Mitarbeiter
  • psychische Belastungen am Arbeitsplatz

Seit 2013 ist auch die Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung für jedes Unternehmen gesetzlich verpflichtend. Hier erfährst du mehr zum Thema psychische Gefährdungsbeurteilung.

Wie wird eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt?

Es ist nicht vorgegeben, wie genau eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden muss. In der Regel beinhaltet sie aber die folgenden 7 Schritte: Festlegen von Arbeitsbereichen und Tätigkeiten, Identifikation von Gefährdungen, Beurteilung der Gefährdungen, Festlegen von Schutzmaßnahmen, Umsetzung der Schutzmaßnahmen, Überprüfung der Wirksamkeit und Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung.

Eine Gefährdungsbeurteilung besteht in der Regel aus 7 Schritten.

Wann muss eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden?

Die Gefährdungsbeurteilung muss durchgeführt werden, bevor ein Mitarbeiter eine neue Tätigkeit beginnt. Zudem muss sie erneut durchgeführt werden:

  • wenn neue Arbeitsmittel beschafft werden
  • wenn neue Stoffe eingeführt werden
  • nach dem Auftreten von Unfällen und Beinahunfällen sowie Berufserkrankungen

Eine Wiederholung der Gefährdungsbeurteilung ist im Arbeitsschutzgesetz nicht festgeschrieben. Jedoch ist es ratsam, diese mindestens einmal jährlich durchzuführen.

Ist die Durchführung und Dokumentation einer Gefährdungsbeurteilung Pflicht?

Die Gefährdungsbeurteilung ist ab nur einem Mitarbeiter verpflichtend und muss für jeden Arbeitsplatz durchgeführt werden. Bei gleichen Bedingungen können auch mehrere Arbeitsplätze zusammengefasst werden. Der Arbeitgeber trägt die Verantwortung dafür, dass die Gefahren identifiziert und entsprechend Maßnahmen ergriffen werden. Auch die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ist verpflichtend.

Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsbeurteilung?

Ja. Der Betriebsrat hat in Sachen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ein Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Gewisse Maßnahmen, die sich aus der Gefährdungsbeurteilung ableiten, müssen zudem vom Betriebsrat genehmigt werden. Darüber hinaus hat er auch ein Initiativrecht und kann eine Gefährdungsbeurteilung im Unternehmen anregen. Außerdem kann der Betriebsrat zu den Themen Sicherheit und Gesundheitsschutz beratend wirken.

Gefährdungsbeurteilung Brandschutz

Das Thema Brandschutz ist ein wichtiger Bestandteil jeder Gefährdungsbeurteilung und eine grundlegende Komponente im Bereich Arbeitssicherheit. Die Gefährdungsbeurteilung Brandschutz beinhalten die Identifizierung von potenziellen Brandquellen, Gefährdungen und die Bewertung der Wirksamkeit bestehender Brandschutzmaßnahmen.

Brandschutzmaßnahmen beinhalten nicht nur das Verhalten in Notsituationen, sondern beginnen schon bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsprozessen. Ab nur einem Mitarbeiter sind Unternehmen außerdem verpflichtet Brandschutzhelfer zu bestellen. Hier erfährst du mehr dazu.

Die relevantesten Arbeitsstättenrichtlinien, in Hinblick auf den Brandschutz sind:

  • ASR A1.3 - Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnungen
  • ASR A2.2 - Maßnahmen gegen Brände
  • ASR A2.3 - Flucht- und Rettungswege

Für Unternehmen mit erhöhter Brandgefahr ist außerdem die Bestellung von Brandschutzbeauftragten empfehlenswert. Hier erhältst du Informationen darüber, was das ist und ab wann ein Unternehmen darüber verfügen sollte.

Schild Fluchtweg
Die deutliche Kennzeichnung von Flucht- und Rettungswegen ist grundlegend, für die Evakuierung von Mitarbeitern in Notsituationen.

Gefährdungsbeurteilung Baustelle

Besonders in der Bauwirtschaft ist eine ausgiebige Überprüfung der Gefährdungen, im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung Baustelle von großer Bedeutung. Baustellen sind durch gleichzeitige Arbeitsprozesse, Einflüsse von Boden und Wetter sowie bautechnische Herausforderungen mit vielen Gefahren verbunden. Besondere Aufmerksamkeit erfordern Arbeiten in der Höhe, die Nutzung von Werkzeugen und Baumaschinen sowie der Umgang mit Gefahrstoffen und elektrischen Anlagen. Hier entstehen im Vergleich zu anderen Branchen die meisten Arbeitsunfälle (Quelle).

Eine Gefährdungsbeurteilung Baustelle ermöglicht die frühzeitige Identifikation potenzieller Risiken. Sind diese Risiken identifiziert, können präventive Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit von Mitarbeitern umgesetzt werden. Auch auf Baustellen arbeiten Mitarbeiter häufig mit Gefahrstoffen, wie Montageschaum, Zement und Isolieranstrichen, weshalb diese Gefahrstoffe bei der Gefährdungsbeurteilung genauer betrachtet werden sollten.

Siehe dazu auch: Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe.

Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe

Die Gefährdungsbeurteilung von Gefahrstoffen ist von entscheidender Bedeutung, um Mitarbeiter vor potenziellen Gesundheits- und Sicherheitsgefahren gemäß dem Arbeitsschutzgesetz zu schützen. Der Arbeitgeber muss vor Arbeitsbeginn prüfen, ob Mitarbeiter mit Gefahrstoffen arbeiten oder solche Stoffe bei Tätigkeiten entstehen könnten.

Gefahrstoffe am Arbeitsplatz, darunter flüssige, feste oder gasförmige Substanzen wie Chemikalien oder biologische Arbeitsstoffe, erfordern eine genaue Bewertung. Beispiele sind Lösungsmittel wie Toluol oder Aceton in Farben, Lacken und Reinigungsmitteln sowie Schweißrauche, die gefährliche Partikel und Dämpfe abgeben können.

Die Technische Regel für Gefahrstoffe 400 (TRGS) gibt klare Richtlinien für die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen vor. Bewertet werden müssen Risiken durch:

  • Einatmen
  • Hautkontakt
  • Verschlucken
  • physikalisch-chemische Gefahren wie Brand- und Explosionsgefahren

Auch Arbeitsabläufe, Verfahren und die Arbeitsumgebung müssen auf mögliche Gefahrenquellen hin überprüft werden.

Es ist wichtig, die Gefährdungsbeurteilung von Gefahrstoffen regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren. Werden Gefahrgüter über Straßen, Schienen oder per Schiff transportiert, müssen Unternehmen einen Gefahrgutbeauftragten bestellen. Hier erfährst du, was das ist und welche Aufgaben dieser hat.

Gefährdungsbeurteilung Büro und mobiles Arbeiten

Bei der Gefährdungsbeurteilung Büro und Gefährdungsbeurteilung mobiles Arbeiten müssen besonders körperliche, visuelle sowie psychische Gefährdungen untersucht werden, um geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen zu können.

Durch Bildschirmarbeit können körperliche, psychische und visuelle Gefährdungen bestehen.

Körperliche Gefahren können beispielsweise sein:

  • einseitige Belastung
  • Bewegungsmangel
  • schlechte Körperhaltung

Um diese Gefährdungen zu vermeiden ist es wichtig, dass Arbeitsmittel ergonomisch gestaltet und angeordnet sind.

Hinzu kommt eine Belastung der Augen und des Sehvermögens durch Bildschirmarbeit. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sollte hierbei besonders Textgröße und -schärfe, Helligkeit und Kontrast, Zeichen- und Zeilenabstand sowie die Größe und Neigung des Bildschirms überprüft und passend eingestellt bzw. ausgerichtet werden.

Psychische Gefahren sind unter anderem ein hoher Zeitdruck, Konflikte im Büro und besonders beim mobilen Arbeiten soziale Isolation, unklare Arbeitsstrukturen und Schwierigkeiten bei der Gestaltung einer Work-Life-Balance. Ziel der Gefährdungsbeurteilung Büro und mobiles Arbeiten ist es, diese Gefahren möglichst zu vermeiden und geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Zu den Schutzmaßnahmen zählen beispielsweise: ein ergonomischer Arbeitsplatz, regelmäßige Augenuntersuchungen sowie Pausenmanagement.

Das Arbeitsschutzgesetz: Gesetzliche Grundlage der Gefährdungsbeurteilung

Festgelegt ist die Pflicht, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen in § 5 des Arbeitsschutzgesetzes.

Fazit

Die Gefährdungsbeurteilung ist unverzichtbar für die Sicherheit am Arbeitsplatz. Sie erstreckt sich über verschiedene Branchen, einschließlich Baustellen, den Umgang mit Gefahrstoffen und Büroarbeit. Die Einbeziehung von Betriebsräten und regelmäßige Aktualisierungen gewährleisten eine fortlaufende Optimierung der Sicherheitsmaßnahmen.

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Head of Occupational Safety, Leitende Fachkraft für Arbeitssicherheit (ASIG gem. DGUV-V2) –BGHM, BG RCI, BGW, BG ETEM, BGHW, VBG, Brandschutzbeauftragter, Regalprüfer, Ausbildung Energieelektronik-Anlagentechnik und Elektrische Energieverteilung Hoch-Mittelspannung
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