Mental Health

Psychische Gefährdungsbeurteilung: Was Unternehmen wissen müssen

Erfahre alles, was du wissen musst, zur psychischen Gefährdungsbeurteilung: Inhalt, Ablauf, Pflicht, Kosten und Häufigkeit. Informiere dich jetzt.

Dr. med. Beatus Buchzik
September 23, 2024
Lesezeit:
5 Minuten

Die psychische Gefährdungsbeurteilung (auch Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen oder PsychGBU) ist eine gesetzlich vorgeschriebenes Maßnahme im Arbeitsschutz. Sie hilft dabei, das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass Mitarbeiter ohne übermäßige psychische Belastungen arbeiten können. Denn zufriedene und gesunde Mitarbeiter sind produktiver. Zeitdruck, ständige Unterbrechungen oder unangemessenes Verhalten von Führungskräften können die psychische Gesundheit beeinträchtigen. Angesichts des Anstiegs psychischer Erkrankungen ist diese Beurteilung ein wichtiger Schritt, um mentale Gesundheit im Betrieb zu fördern. Wir erklären dir, wie die Durchführung funktioniert, welche Maßnahmen sinnvoll sind, welche Kosten anfallen und welche rechtlichen Grundlagen zu beachten sind.

Um die Lesbarkeit zu erleichtern, verwenden wir in diesem Artikel ausschließlich die männliche Form. Selbstverständlich sprechen wir damit alle Menschen unabhängig von Geschlecht und Identität an.

Zusammenfassung

Die psychische Gefährdungsbeurteilung ist ein hilfreiches Instrument, um das Thema mentale Gesundheit im Betrieb strukturiert zu verstehen und anzugehen. Sie ist zudem im Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben für alle Arbeitgeber. Es werden nie einzelne Mitarbeiter geprüft, sondern immer nur die Arbeitsbedingungen. Durch eine strukturierte und digitale Durchführung, können Ergebnisse kosteneffizient erreicht werden. Wichtig ist jedoch, dass die Durchführung professionell und unter Einbeziehung der Organisation erfolgt.

Was ist eine psychische Gefährdungsbeurteilung?

Die psychische Gefährdungsbeurteilung dient dazu, psychische Belastungen, Beschwerden und Beanspruchungen bei der Arbeit sichtbar zu machen. Teils ist sie auch unter Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung bekannt. Dabei steht nicht die psychische Gesundheit der einzelnen Person im Vordergrund, sondern vielmehr die Arbeitsbedingungen, d.h. das soziale Miteinander, die Arbeitsumgebung, die Arbeitsinhalte und die Arbeitszeitgestaltung.

Die Erfassung von psychischen Belastungen ist eine arbeitsschutzgesetzliche Pflicht. Seit 2013 ist dies explizit im Arbeitsschutzgesetz vorgegeben.

Was ist Inhalt einer psychischen Gefährdungsbeurteilung?

Der Inhalt einer psychischen Gefährdungsbeurteilung ist die Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der mentalen Risiken im Unternehmen. Im Vordergrund steht die Beurteilung folgender Felder:

  • Arbeitsinhalte und Arbeitsaufgaben: Verantwortung der Mitarbeiter, ihre Freiräume, Qualifikationen und emotionale Inanspruchnahme
  • Arbeitsorganisation: Verfügbarkeit der Beschäftigten, ihre Arbeitszeit, Abläufe, Kooperation und Kommunikation zwischen den Beschäftigten
  • Soziale Beziehungen: Interaktion zwischen Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten
  • Arbeitsumgebung: Besondere Belastungen wie z.B. Lärm, ergonomische Bedingungen oder klimatische Verhältnisse
  • Arbeitsformen: z.B. befristete Beschäftigungen oder Home-Office

Durch die strukturierte Erfassung der Arbeitsbedingungen entlang der unterschiedlichen Kriterien ergibt sich ein gutes und umfassendes Bild möglicher psychischer Belastungen und Möglichkeiten zur Vorsorge.

Worauf muss bei der Durchführung der psychischen Gefährdungsbeurteilung als Firma geachtet werden?

Das Thema mentale Gesundheit und psychische Belastungen ist ein sensibles Thema. Da die Durchführung der psychischen Gefährdungsbeurteilung die Mitarbeiter direkt einbindet, ist es sehr wichtig einige Rahmenbedingungen einzuhalten, darunter:

  • Unterstützung des Top-Managements: nur wenn das Top-Management die Durchführung unterstützt, ist die notwendige Glaubwürdigkeit und eine spätere Umsetzung von Maßnahmen möglich
  • Kommunikation und Einbeziehen der Organisation: Klare Kommunikation von Zielen, Prozessen und später Ergebnissen ist wichtig für das notwendige Vertrauen. Mitbestimmungsvertretungen wie ein Betriebsrat sind mit einzubeziehen
  • Anonymität gewährleisten: Nur bei ehrlichen Antworten der Beschäftigten, ist eine realistische Einschätzung möglich. Das Einbeziehen eines externen Partners kann helfen, den Beschäftigten die Anonymität ihrer Antworten zu gewährleisten und Neutralität bei der Erarbeitung von Maßnahmen zu gewährleisten
  • Professionelles Projektmanagement: Die Durchführung der Befragung wie auch die Erarbeitung von Maßnahmen und die Umsetzung dieser erfordert ein professionelles Projektmanagement
  • Sichtbare und messbare Ergebnisse: Die Teams und Mitarbeiter müssen sehen, dass Ergebnisse umgesetzt und deren Erfolg messbar gemacht wird

Werden diese Best-Practices eingehalten, dann ist die psychische Gefährdungsbeurteilung ein sehr wirksames Mittel, um die mentale Gesundheit im Betrieb zu verbessern.

Wie ist der Ablauf einer psychischen Gefährdungsbeurteilung ?

Es gibt keine vorgeschriebene Form für die Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung. Möglich sind z.B. Online-Befragungen, Interviews oder Workshops. Da sich psychische Belastungen nicht objektiv messen lassen, wie z.B. Gefahrstoffe oder eine Lärmbelästigung, ist es sinnvoll, die Mitarbeiter bei Beurteilung der Arbeitssituation einzubinden und sie direkt zu befragen. Dies erhöht auch die Akzeptanz bei der Durchführung und späterer Verbesserungsmaßnahmen.

1. Vorbereitung 2. Ermittlung Gefährdungen 3.Gefährdungen beurteilen 4.Maßnahmen ableiten 5. Dokumentation 6. Wirksamkeitskontrolle 7. Verbesserung
Ablauf der psychischen Gefährdungsbeurteilung.


Ein beispielhafter Ablauf einer psychischen Gefährdungsbeurteilung ist:

  1. Vorbereitung: Arbeitsbereiche und Tätigkeiten mit ähnlichen Gefährdungen festlegen, Befragungsverfahren bestimmen, Information der Organisation inklusive Führungskräfte, Betriebsrat und Mitarbeiter
  2. Ermittlung der Gefährdungen mittels Befragung z.B. mittels Online-Fragebogen
  3. Gefährdungen beurteilen und Auswertung der Ergebnisse
  4. Ableiten von Schutzmaßnahmen, um psychische Gefahren zu reduzieren
  5. Dokumentation der psychischen Gefährdungsbeurteilung gemäß gesetzlicher Vorgaben (schriftlich) und Kommunikation an Organisation
  6. Wirksamkeitskontrolle der Maßnahmen
  7. Verbesserung und Re-Evaluation nach ca. 2 Jahren

Was sind mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit?

Die Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit sollten immer individuell auf die jeweilige Situation und Firma abgestimmt sein. Entscheidend ist, welche Problemfelder erkannt wurden und wie man sie bestmöglich adressiert, um sinnvolle Vorsorge zu ermöglichen. Einige Beispiele für Maßnahmen können sein:

  • Kommunikation und Feedback: Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmern sowie unter den Mitarbeitern
  • Gestaltung des Arbeitsplatzes: z.B. ergonomische Möbel, Lärmreduktion, klimatische Verbesserungen
  • Flexible Arbeitsgestaltung: z.B. Gleitzeit, Überstundenreduktion, flexibler Arbeitsort
  • Stress Reduktion: durch z.B. klare und realistische Zielsetzungen oder Erreichbarkeit über (digitale) Medien
  • Positives Arbeitsumfeld: Teambuilding-Aktivitäten können z.B. helfen, die Zusammenarbeit zu verbessern
  • Verbesserung der Erholungszeiten und Pausen: Erholungszeiten reduzieren Stress und ermöglichen ein effektiveres Arbeiten
  • Zugang zu psychischen Unterstützungsangeboten: z.B. Employee Assistance Programs (EAPs) oder psychischen Beratungen

Was kostet eine psychische Gefährdungsbeurteilung?

Die Kosten für eine psychische Gefährdungsbeurteilung variieren je nach Art der Durchführung (online Befragung, Workshop, Interviews) und der Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen. Bei 100 Mitarbeitern liegen die Kosten bei ca. 15€ - 20€ pro Mitarbeiter und bei 1.000 Mitarbeitern bei ca. 7,50€ - 10,00€ pro Mitarbeiter. Je nach Ergebnis der Befragung können weitere Kosten für Maßnahmenentwicklung und Umsetzung anfallen.

Beispiel Kosten Durchführung psychische Gefährdungsbeurteilung bei 250 Beschäftigten:

250 Mitarbeiter x 12,50€/Mitarbeiter = 3.125 € Gesamtkosten

Ab wie vielen Mitarbeitern ist eine eine psychische Gefährdungsbeurteilung vorgeschrieben?

Gefährdungsbeurteilungen, wie auch die psychische Gefährdungsbeurteilung, sind für Organisationen ab nur einem Beschäftigten vorgeschrieben. Die Pflicht gilt damit für jeden Arbeitgeber in Deutschland.

Ist die psychische Gefährdungsbeurteilung Pflicht?

Ja. Jedes Unternehmen ist ab einem Beschäftigten verpflichtet, regelmäßig eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen (§5Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG). Die Teilnahme an der Beurteilung ist für Mitarbeiter freiwillig.

Wie oft muss eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden?

Das Arbeitsschutzgesetz sieht keine festgelegten Fristen vor. Eine Re-Evaluation des Betriebes sollte erfolgen, wenn sich die Arbeitsbedingungen ändern oder neue Gefährdungen auftreten. Ansonsten ist eine Aktualisierung und Überprüfung nach 24 Monaten ratsam.

Arbeitsschutzgesetz: Was ist die rechtliche Grundlage der psychischen Gefährdungsbeurteilung?

Das Arbeitsschutzgesetz stellt die rechtliche Grundlage des Arbeitsschutzes dar und beinhaltet als zentrales Element die Gefährdungsbeurteilung. Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist in §5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG vorgeschrieben.

Fazit

Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz ist ein zentrales Element des Arbeitsschutzes und zugleich ein sehr wirksames Instrument, um das Thema mentale Gesundheit im Betrieb zu verstehen und mögliche Handlungsfelder zu identifizieren. Eine Durchführung muss einfach und effektiv sein, wie z.B. durch eine Online-Mitarbeiter-Befragung, und professionell in der Organisation durchgeführt werden. Die Maßnahmen werden individuell auf die Firmensituation zugeschnitten.

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